Bildungswesen

100 Jahre Schillerschule

von Claudia Kauter

Türgriff der Schillerschule, 1908. Foto: privat
Türgriff der Schillerschule, 1908. Foto: privat

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Die Schillerschule in Sachsenhausen feierte im Jahr 2008 ihren 100. Geburtstag. Dieses Jubiläum war Anlass genug, die Schulgeschichte zu untersuchen und dabei festzustellen, was daran eher als Kontinuität, was als Wandel zu werten ist.

Die Schillerschule lohnt durchaus die historische Beschäftigung, da sie seit ihrer Gründung 1908 als erste Frankfurter Schule auch Mädchen das Abitur ermöglichte. Der Bildungskanon war von Anfang an vielfältig und betonte die Bedeutung der Naturwissenschaften – auch für die Mädchen.

Der zunächst sehr weite Einzugsbereich der Schule umfasste angesichts des starken Zustroms von Schülerinnen sehr bald vor allem Sachsenhausen und die südlich des Mains gelegenen Stadtteile. Das Gebiet rund um die Schillerschule wurde zur selben Zeit baulich erschlossen, die Schillerschule konnte also in einem Entwurf des damaligen Stadtbauinspektors Hugo Eberhardt in die Planung des neuen Stadtviertels, bei dem auch der Vorläufer des heutigen Universitätsklinikums entstand, integriert werden. Die neu entstandenen Wohnungen und Einfamilienhäuser waren von größerem Zuschnitt, der den Zuzug eher bürgerlicher Schichten erwarten ließ, denen an der Ausbildung auch der Töchter gelegen war – und die es sich damals leisten konnten, für die Töchter doppelt so viel Schulgeld wie für die Söhne zu zahlen.

Auffällig ist die große Zahl „prominenter“ Frauen, die Schülerinnen dieser Schule waren. Beispielhaft genannt seien die Avantgarde-Fotografin Ilse Bing, die Sportlerinnen Helene Mayer und Ann Kathrin Linsenhoff, die erste Ministerin der Bundesrepublik, Dr. Elisabeth Schwarzhaupt, die Nobelpreisträgerin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Vollhardt sowie die Schriftstellerinnen Stefanie Zweig und Susanne Fröhlich.

»Die thematischen Schwerpunkte haben uns geholfen, die vielen interessanten Funde zu systematisieren. Es war interessant zu sehen, wie unsere Schule die Spannung zwischen Kontinuität und Wandel ausgeglichen hat.«

Die Schillerschule spielte und spielt noch immer eine bedeutende Rolle im Stadtteil Sachsenhausen, wenn auch mit wechselndem Inhalt. Auch heute noch versteht sich die Schillerschule gemäß ihrem Schulprogramm als „Schule im Stadtteil Sachsenhausen“, was sich zum Beispiel in einer intensiven Zusammenarbeit mit Vereinen und Museen ausdrückt. Aus all diesen Gründen sollte nicht nur eine Chronologie der Schulgeschichte entstehen, sondern es stellten sich vielfältige übergreifende, historische Fragen. Hat sich der liberale Geist, der die Schillerschule angeblich stets kennzeichnete, durch das Jahrhundert hindurch erhalten? Wie wurde dieser liberale Geist, der Respekt gegenüber dem Individuum und Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft beinhaltet, an der Schule verwurzelt?

Wie reagierte die Schillerschule auf die politischen Veränderungen des Jahrhunderts? Und schließlich fragte ich noch einmal in historischer Perspektive, wie sich die Schule als Institution im Stadtteil versteht. Ich fühlte mich für dieses Projekt verantwortlich, weil ich zu der Gruppe von Lehrern und Lehrerinnen gehörte, die seit mehreren Jahrzehnten an der Schillerschule unterrichten und einen großen Teil ihrer Geschichte aktiv mitgestaltet haben. Zudem unterrichte ich selbst das Fach Geschichte und habe mich intensiv mit museumspädagogischen Fragen befasst. Mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern, unterstützt von einigen Kollegen, entstand der Plan, die Geschichte der Schule aus Schul- und Stadtarchiv sowie Berichten ehemaliger Schülerinnen zu rekonstruieren und die gewonnenen Inhalte in einer Ausstellung zum Jubiläum zu präsentieren und in einer Festschrift sowie auf der Homepage der Schule vorzustellen. Die Materialfülle machte uns allerdings zu schaffen: Je länger wir die Archivalien durchsuchten, desto mehr entdeckten wir. Da der Jubiläumstermin aber festlag, waren wir auf einen strengen Zeitplan verpflichtet. Wir verwarfen bald unser ursprüngliches Konzept einer rein chronologischen Übersicht zugunsten thematischer Schwerpunkte, wobei uns inhaltliche Kontinuitäten ebenso wichtig waren wie die vielen neuen Akzente in der Entwicklung des Schul- und Bildungslebens. Wichtigstes Kontinuum der Schillerschule schien zu sein, dass sie stets frühzeitig auf veränderte Lebenswirklichkeiten reagiert und auf diese Weise ihren liberalen Geist bewahrt hat.

Die größten Schwierigkeiten entstanden beim Festhalten der Ergebnisse, was schon allein zeitlich ohne die tatkräftige Unterstützung vieler Kollegen nicht möglich gewesen wäre – die Schülerinnen und Schüler waren bei der inhaltlichen Festlegung oft überfordert. Weitere Probleme entstanden bei den technischen Fragen: Wie können wir die Dokumente angemessen präsentieren? Wo gibt es Rahmen und Vitrinen? Wie sollen diese gestaltet werden? Die Unterstützung durch Frau Murmann vom Institut für Stadtgeschichte, durch Frau Drummer von der Geschichtswerkstatt „Zeitkontor“ sowie die finanzielle Unterstützung durch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft waren wichtige Hilfen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum hat die Ausstellung erleichtert: hier konnten wir Ausstellungsvitrinen erhalten.

Pünktlich zum Jubiläumstag am 24. April 2008 war die Ausstellung fertig und wurde feierlich eröffnet. Die Festschrift, die eine Fülle von zusätzlichen Dokumenten enthielt, war ebenfalls fertig gedruckt, nur die digitale Aufarbeitung wurde mit Verspätung fertig. Interessant ist, wie leidenschaftlich die ehemaligen Schülerinnen an den Jubiläumstagen, aber auch bei späteren Klassentreffen über den Geist der Schule und den Unterrichtsstil ihrer ehemaligen Lehrer diskutierten. Zwei Jahre lang haben inzwischen viele Besucher, aber auch die vielen Schülerinnen und Schüler, mit Interesse die eine oder andere Ausstellungstafel gelesen und angesehen. Zur Zeit ist die Ausstellung im Archiv eingelagert, doch soll sie nach der Restaurierung des „alten“ Schillerschultrakts wieder gezeigt werden.