Biografien / Weltkriege, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

Das Leben des Antifaschisten Johann Holler

von Boris Schöppner

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In dem Film „Scheng gibt nicht auf – Das Leben des Antifaschisten Johann Holler“ (2012, 90 Minuten) habe ich das Leben eines Menschen rekonstruiert, der als Idealist in Köln sein politisches Engagement begann und als Einsiedler auf einer Nidda-Halbinsel in Frankfurt-Sossenheim endete.

Ich erzähle die Geschichte in zwei gegenläufigen Strängen, einmal chronologisch entlang der autobiografischen Quellen Hollers (Lebenserinnerungen und Gefängnisbriefe) und einmal aus rückblickender Perspektive, ausgehend vom Leben auf der Halbinsel. Unterstützt haben mich bei der Produktion Mario Morales und Elmar Schmid, die in Frankfurt und Umgebung sowie in Köln, Vaals, Brauweiler und Aachen mit mir gedreht haben.

Interviews mit Personen, die Holler kannten, von ihm erfahren haben oder auf andere Weise mit ihm und seinem Leben verbunden sind, habe ich so mit den Texten von Holler verknüpft, dass der Film ohne eine weitere Off-Stimme (außer der von Holler) auskommt. Exemplarisch erzähle ich zudem, was aus verschiedenen Orten, die für Johann Holler wichtig waren, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und nach Hollers Tod 1990 geworden ist. Zum Beispiel die Halbinsel im Sossenheimer Unterfeld, heute ein Naturschutzgebiet an einem beliebten Weg am Nidda-Ufer. Die Thematik der wiederholten Verfolgung Hollers als Kommunist nach dem KPD-Verbot in der Adenauer Ära stelle ich anhand von Interviews zweier Stellvertreter dar.

Johann Holler, geboren am 26. Mai 1912 in Köln-Rodenkirchen, war Kommunist und engagierte sich in Köln gegen die Nazis. Schon früh, 1933, wurde er das erste Mal festgenommen und misshandelt. Nach der Entlassung aus der Schutzhaft beschwerte er sich über die Misshandlungen von Veteranen des Ersten Weltkriegs, die er beobachtet hatte. Wegen dieser Anzeige wurde er wieder in die berüchtigte Krebsgasse, die Kölner Gestapo-Zentrale, gebracht. Dort schlugen sie ihm den Schädel ein. Holler überlebte schwer verletzt, seine Genossen in den Zuchthäusern pflegten ihn. Nach seiner Entlassung setzte er seine Aktivitäten fort und schmuggelte Publikationen der Arbeiterpresse aus Vaals (Niederlande) nach Deutschland. Nachdem seine Gruppe aufflog, wurde er in zwei Verfahren wegen Hochverrats zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, die er in verschiedenen Zuchthäusern verbüßte.

»In dem Projekt habe ich die Lebensgeschichte eines einfachen Mannes nachgezeichnet, der einen hohen Preis für seine unbeugsame Haltung zahlte. Dabei habe ich versucht, so viele Facetten wie möglich aufzuzeigen, eine Heldenverehrung lag mir fern. Und ich habe aufgezeigt, welche Geschichten auch zum Teil völlig unscheinbare Orte bergen können.«

1945 wurde Holler aus dem Zuchthaus Butzbach von den Amerikanern befreit und umgehend von ihnen engagiert, um im Bankensektor an der Entnazifizierung mitzuwirken. Im Verlauf des Kalten Krieges verlor Holler, der Kommunist, seinen Posten bei der amerikanischen Militärverwaltung. Holler zog sich zurück und siedelte sich auf dem Holler-Altarm an. Er widmete sich der „Pelztier-Zucht“ (vermutlich Nutrias). Das Geld, das er als Haftentschädigung bekam, ließ er sich nicht auszahlen, sondern nutzte es, um die Halbinsel von der Stadt Frankfurt zu pachten. 1957 musste Holler erneut ins Gefängnis, weil er noch immer Kommunist war. Nach kurzer Zeit kam er wieder frei.

Holler und seine Frau zogen drei Kinder auf der Halbinsel groß. In den ersten Jahren gab es auf dem Gelände keine Elektrizität, das Wasser wurde vom Selzerbrunnen in Nied geholt, in Nied gingen auch die Kinder zur Schule. Natürlich fiel diese Familie aus dem Rahmen. Holler starb 1990, die Familie musste die Insel verlassen. Seine Frau kam in ein Altenheim. Die Häuser wurden abgerissen. Hinweise auf ihn oder sein Leben findet man im Grüngürtel nicht.