Biografien

Die Briefe des Christian Traband 1870/1871 als Zeugnisse eines ‚vergessenen’ Krieges

von Norbert Traband

Verwundeter, 1870. Bild: Wikipedia
Verwundeter, 1870. Bild: Wikipedia

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Christians Briefe wären beinahe verloren gegangen. Sie lagen jahrzehntelang in einem Pappkarton unter einem Bett und sollten vernichtet werden. Bereits vor Jahren gelangten sie zufällig in den Besitz des Mitbegründers und jetzigen Ehrenvorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins, Adalbert Vollert, und blieben somit der Nachwelt erhalten. Schon während der Transkription der 26 Briefe forschte ich nach Christians Lebensumständen im alten Nied und befasste mich mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-1871.

Ein Krieg übrigens, der zwar zur Gründung des Deutschen Reiches führte, heute jedoch durch die beiden späteren fürchterlichen Weltkriege etwas in Vergessenheit geraten ist. Am Ende des Deutsch-Französischen Krieges waren jedenfalls auf beiden Seiten rund 125.000 Tote zu beklagen.

Christian hatte wohl mit seinen 25 Jahren etwas anderes vor, als nach Paris zu marschieren. Für uns ist heute manches, was in dieser Zeit von oberster Priorität war, wie beispielsweise der Militärdienst, etwas unverständlich. Damals hatte aber ein „Ungedienter“ kaum Chancen, eine einigermaßen gut bezahlte Arbeit zu finden. Diese brauchte man jedoch, um standesgemäß heiraten zu können. Die Familien legten größten Wert darauf. Wenn man nach der Kriegserklärung Frankreichs das Vaterland und die Lieben zu Hause gegen den „Erbfeind“ verteidigen durfte und das auch noch überlebte, war man ein Held.

Eine gewisse Abenteuerlust und das vorübergehende Ausscheiden aus  dem  kleinbürgerlichen  Alltagstrott  waren  für  einen  jungen Mann, der sonst kaum aus seiner vertrauten Umgebung herauskam, sicher sehr reizvoll. Allerdings ist aus den Briefen herauszulesen, dass die anfängliche Euphorie schnell nachließ. Schuld daran waren die endlosen Märsche bei Wind und Wetter auf schlecht ausgebauten Straßen, die eintönige Verpflegung und die teilweise desolaten Unterkünfte. Während der Belagerung von Paris war sein Einsatz auf Vorposten schon deshalb nicht ungefährlich, weil es immer wieder zu Ausbruchsversuchen der Eingeschlossenen kam, verbunden mit Toten und Verwundeten.

Dennoch vermied er es, die Lieben zu Hause mit den Schrecken des Krieges zu konfrontieren, indem er auf schlimme Details verzichtete und sich als „stets noch gesund und munter“ bezeichnete. Er bedauerte es, dass die Eltern die nächtliche Feuerglut am Himmel bei der Bombardierung von Paris nicht sehen konnten. Auch berichtete Traband über das Treffen mit Nieder Kameraden und war entsetzt über den plötzlichen Tod eines Freundes.

Neben einem kurzen Überblick, was den Beginn und Verlauf des Krieges betrifft, habe ich versucht, die geradezu katastrophalen Verhältnisse zu schildern, denen der einfache Soldat ausgesetzt war. Dies geht schon daraus hervor, dass ein beträchtlicher Teil nicht im Gefecht, sondern durch Krankheiten, verursacht durch fehlende Hygiene und Wundversorgung, sowie durch Erschöpfung zu Tode kam.

Bei der Transkription der Briefe meines „Namensvetters“ und weitläufigen Verwandten habe ich absichtlich alles detailgetreu in unsere heutige Schriftform übernommen und Fehler nicht korrigiert. Neben Christians Biografie und dem Deutsch-Französischen Krieg habe ich mich natürlich hauptsächlich mit seinen Briefen befasst, die er in feinem Sütterlin nach Hause geschrieben hat. Dass er während des gesamten Feldzuges die Briefe aus der Heimat sorgfältig aufbewahrte und später wieder mit zurückbrachte, zeugt von einer engen Bindung an das Elternhaus.

»Ich wollte einiges aus dem damaligen Denken und Alltag, was uns heute entfernt vorkommt und geradezu unverständlich ist, verständlich machen.«

In der Familie ist Christian nie in Vergessenheit geraten. Zur Erinnerung an ihn bekamen Enkel, Urenkel und sogar ein Ur-Ur-Enkel als Beinamen seinen Vornamen. Als gelernter Maurer gründete dieser Ur-Ur-Enkel ein Baugeschäft, das heute noch in der dritten Generation fortbesteht.

Bei der Suche nach Christians Spuren konnte ich durch Hinweise von Nieder Bürgern und das in Familienbesitz befindliche Material weitere Quellen durchforschen und die Ergebnisse in meinem Buch verwenden. Das Buch ist als Sonderausgabe 2008 in der Schriften- reihe des Heimat- und Geschichtsvereins Nied erschienen. Auf jeden Fall haben mir die Bearbeitung der Briefe und die damit verbundenen Recherchen viel Freude gemacht.