Rechts- und Sozialgeschichte / Biografien

Ein Frankfurter Arzt und seine Zeit

von Dr. Johann-Philipp Bockenheimer

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Mein Projekt bezog sich auf Leben und Wirken eines Frankfurter Arztes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Meine Ausgangssituation: Zeitzeugen lebten nicht mehr und Archive wie auch Bibliotheken haben Lücken durch „Kriegsverluste“. Es war aber ein Vorteil, dass ich Zugriff auf die Materialien hatte, die in Familienarchiven erhalten waren, weil der Protagonist mein Großvater ist.

Sehr schnell ergab sich, dass ich mir auch einen Überblick über die Lebensumstände im Frankfurt dieser Zeit verschaffen musste, um das Handeln dieses Arztes, Geheimer Sanitätsrat Jacob Hermann Bockenheimer 1837–1908, einordnen und verstehen zu können. Am Beginn meiner Arbeit ging ich unstrukturiert allen Hinweisen nach, die sich auf die persönliche Entwicklung des Protagonisten und auf noch sichtbare Spuren seines Wirkens in Sachsenhausen bezogen. Danach ging es darum, die Ergebnisse dieser Suche zu ordnen, niederzuschreiben und das Layout für eine druckfertige Biografie zu erstellen.

Es ergaben sich unterschiedliche Rechercheschwerpunkte zu Leben und Wirken meines Großvaters, zu denen besondere Fragestellungen entstanden. Hier einige von ihnen:

  • Er stammte aus einer bäuerlichen Familie aus Harheim, damals zum Herzogtum Nassau gehörig. Frage: Wie wurde aus dem Spross einer bäuerlichen Familie ein Student an mehreren bedeutenden europäischen Universitäten und ein „Bürger“ der Stadt Frankfurt?
  • Er ließ sich in Frankfurt als Chirurg und Hausarzt nieder und leistete Pionierarbeit bei der Einführung „antiseptischer“, dann „aseptischer“ Verfahren in den Operationssälen. Frage: Wie waren damals Entwicklungsstand von Chirurgie und wissenschaftlicher Erforschung elementarer Grundlagen der Medizin?
  • Er baute in Sachsenhausen eine chirurgische Privatklinik auf und behandelte dort 42 Jahre lang Mittellose grundsätzlich ohne Entgelt. Frage: Was motivierte den jungen Arzt, zielstrebig ein solches Lebenswerk anzugehen, welche Ausgangsvoraussetzungen fand er im Frankfurt seiner Zeit vor, wie waren Gesundheitswesen und Armenfürsorge damals organisiert?
  • Er entwarf Bau und Ausstattung seiner Klinikgebäude mit allen Details selbst und baute seine Klinik schließlich zu einem Allgemeinkrankenhaus großer Bedeutung aus. Frage: Wie beschaffte er Baugrundstücke und finanzierte den Bau, wie entwickelten sich Hygieneinfrastruktur und Krankenversorgung in Frankfurt?
  • Ihm setzten die dankbaren Sachsenhäuser nahe dem ehemaligen Standort der Klinik ein Denkmal: den Denkmalbrunnen am Oppenheimer Platz. Frage: Warum verschwand das gut ausgestattete Klinikgebäude schon zwei Jahre nach seinem Tod 1908, warum entstand der Denkmalbrunnen erst 1932?
    Meine Suche führte mich in verschiedene Bibliotheken. Am wichtigsten waren Bestände der Universitätsbibliothek Frankfurt, weil sich dort neben Frankfurter Tageszeitungen aus der damaligen Zeit als Mikrofiches auch einige Bände der detaillierten Jahresberichte von Jacob Hermann Bockenheimer über das Geschehen in seiner Klinik befinden. Die Domarchive in Frankfurt und Limburg, das Archiv der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Dernbach und besonders die durch eine exzellente Datenbank erschlossenen Bestände des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt (ISG) waren mir wesentliche Ressourcen.

»Die Geschichte meines Großvaters führt mich Zug um Zug zu einem bedeutenden Teil der Geschichte Sachsenhausens.«

Die konkrete Unterstützung des stellvertretenden Leiters des ISG, Dr. Konrad Schneider, wurde zur unschätzbaren Hilfe ebenso wie die großartige Unterstützung seitens des historischen museums frankfurt.

Um die Entstehung und das überraschende Ende der Klink in der Gutzkowstraße aufzuklären, versuchte ich, in Grundbuchakten der Stadt von 1880 und 1910 Einsicht zu nehmen. Die Akten aus dem Jahr 1910 ließen sich jedoch nicht auffinden, sie sind wohl verloren.

Die Zusammenarbeit der Stadtteil-Historiker der dritten Staffel war sehr intensiv, und jeder war bemüht, seinen Kollegen und Kolleginnen Hinweise oder gar Materialien zu ihren Projekten zukommen zu lassen. Für diesen Austausch war die elektronische Plattform L.I.S.A.-Teamwork der Gerda Henkel Stiftung sehr hilfreich.

Eine Buchveröffentlichung eines bebilderten Textes ist nur in teurem Offsetdruck sinnvoll, wenn auch eine größere Mindestauflage erforderlich ist. Bleibt noch der Weg einer Veröffentlichung als E-Book, in Zukunft sicher ein interessanter Weg. Mein „Projektergebnis“ ist eine Biografie, die ich schließlich aus Kostengründen trotz Verlagsinteresses im Eigenverlag drucken ließ.