Frankfurter Stadtteile im Wandel

Stadtteilidentität am Dornbusch

von Dr. Susanne Czuba-Konrad

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Ausgangspunkt für meine Nachforschungen über den Dornbusch war ein Gedicht, das ich im März 2014 für einen Wettbewerb des Geschäftsrings Dornbusch schrieb. Es war eine gereimte Liebeserklärung an meinen Stadtteil. Ich gewann den ersten Preis.

Dadurch motiviert kam ich zur Redaktion der Stadtteilzeitschrift "Wir am Dornbusch", herausgegeben von der Evangelischen Dornbuschgemeinde, in der ich seither ehrenamtlich mitwirke. Hier hörte ich zum ersten Mal von den Stadtteil-Historikern. Man empfahl mir, mich zu bewerben. Im Vorfeld meiner Bewerbung konnte ich ein Gespräch mit dem Projektkoordinator Dr. Oliver Ramonat führen, der mir das Thema "Stadtteilidentität" nahelegte.

Diese Frage interessierte mich sofort: Gibt es eine emotionale Verbundenheit der Bewohner zu diesem Gebiet, das sich "Dornbusch" nennt? Und: Besitzt der Stadtteil Eigenschaften, die eine solche Verbundenheit begünstigen?

»Ich mag diesen Stadtteil, nicht nur wegen persönlicher Beziehungen und Erinnerungen.«

Ich mag diesen Stadtteil, nicht nur wegen persönlicher Beziehungen und Erinnerungen; nein, es hat auch etwas mit dem Ort selbst zu tun: mit der Schönheit des Dichterviertels mit den verschiedenartigen Villen, den großen Gärten und üppigen Bäumen, mit dem Hessischen Rundfunk (HR), der viele Kulturschaffende an den Dornbusch bringt, mit der Schwellenlage zwischen Großstadt und Vorstadt, dem bezaubernden Anblick der Seitenstraßen mit den Gaslaternen. Auch mit den Geschäften und Cafés und dem weitläufigen Park – und das alles in zentraler, verkehrsgünstiger Lage.

Wenn so etwas Atmosphärisches in einem Stadtteil schwingt, ist dies nicht nur für mich, sondern auch für andere spürbar. Welche Merkmale aber fördern die Stadtteilidentität? Durch Recherchen im Institut für Stadtgeschichte, in Bibliotheken und durch Zeitzeugengespräche fand ich unter anderem heraus, dass die evangelische Gemeinde schon Mitte der 1920er-Jahre gegründet worden war – weit vor der offiziellen Stadtteilgründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Straße "Am Dornbusch" trägt ihren Namen sogar seit 1895. Die Bewohner des Stadtteils berufen sich gern darauf, dass in dieser Gegend "einst die Dornenbüsche wuchsen", identifizieren das Gebiet also schon lange mit diesem Namen.

Beschäftigt hat mich auch die Zelle 08 Dornbusch während des Dritten Reiches, über die Karl Wilhelm Reibel 1995 geforscht hatte: Auch die Nationalsozialisten pflegten die Identifikation mit dem Quartier, das sich über das Dichterviertel erstreckte. Über die angebliche offizielle Stadtteilgründung 1946 habe ich gar keine Originalbelege gefunden, sondern nur spätere Zeitungsberichte.

Heute nennen viele Geschäftsinhaber ihre Läden "... am Dornbusch". Zahlreiche Lieferwagen sind mit diesen Worten beschriftet. Auch durch solche Indizien kann man die Frage nach einer Stadtteilidentität grundsätzlich bejahen.

Genauso aber stellte ich fest, dass diese Identität brüchig war. Für die Bewohner westlich und östlich der Eschersheimer Landstraße mussten einst beziehungsstiftende Maßnahmen ergriffen werden. Wichtigstes Beispiel ist der Bau des Hauses Dornbusch Ende der 1950er-Jahre. Die Durchschneidung des Stadtteils durch den U-Bahn-Strang längs der Eschersheimer Landstraße seit 1968 betonte die Spaltung zwischen "Dornbusch-Ost" und "Dornbusch-West".

Heute setzen sich die Geschäftsinhaber, auch die evangelische und katholische Gemeinde, natürlich der HR, auch soziale und kulturelle Träger wie die Bildungsstätte Anne Frank und der Frankfurter Verband für die Bewahrung der Identität ein. Vor allem sind es aber die Bewohner selbst, die die vorhandene Infrastruktur gerne nutzen und die Beziehung zu ihrem Stadtteil pflegen.