Biografien / Weltkriege, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit / Jüdisches Leben in Frankfurt

Verfolgte jüdische Ärzte am Frankfurter Klinikum während der NS-Herrschaft

von Katja Walter

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Jüdische Ärzte waren seit dem Mittelalter auch außerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaften hoch angesehen, obwohl zahlreiche Vorurteile gegen Juden weit verbreitet waren.

Die seit Langem bestehenden Vorurteile vermischten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des folgenden Jahrhunderts mit biologischen und rassischen Theorien. Durch diese Vermischung entstand eine moderne Legitimation, Juden nun „wissenschaftlich begründet“ zu diskreditieren.

Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten verschärfte sich die Situation für jüdische Ärzte in Frankfurt drastisch. Die ärztlichen Spitzenorganisationen sorgten mit dafür, dass die angeblich rassisch minderwertigen und politisch nicht als konform angesehenen Ärzte nach und nach aus ihren bisherigen Arbeitsgebieten gedrängt wurden.

Das nationalsozialistische Regime erließ deutschlandweit eine Flut von Rundschreiben, Erlassen, An- und Verordnungen oder Gesetzen, die nach und nach erschienen und die Existenzsicherung der Betroffenen immer mehr gefährdeten. Dagegen gab es auch in Frankfurt keine nennenswerten Proteste, sodass die Vertreibung der jüdischen Ärzte schnell vollzogen war. Das Frankfurter Volksblatt veröffentlichte bereits Ende Juni 1933 eine Liste mit 101 Ärzten, die nicht mehr bei den Krankenkassen zugelassen waren.

»Die Rassenpolitik der Nationalsozialisten traf die jüdischen Ärzte an der Universitätsklinik mit voller Wucht.«

Die Nürnberger Rassengesetze vom September 1935 verschärften die bisherige Diffamierung der deutschen Juden noch weiter und hoben endgültig die rechtliche Gleichstellung der Juden auf. Am 30. September 1938 wurde schließlich allen jüdischen Ärzten ausnahmslos die Approbation entzogen – Rechtsgrundlage war die Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz. Ende 1938 verblieben noch 285 von annähernd 9.000 jüdischen Ärzten, die mit einer Sondergenehmigung als „Krankenbehandler“ jüdische Patienten ärztlich versorgen durften.

Die gesetzlichen und moralischen Veränderungen innerhalb Deutschlands erreichten schnell auch die hiesige Universität. Nach 1933 musste die Universität, die zum elementaren Teil durch großzügige Spenden jüdischer Mäzene eröffnet und getragen worden war, von jüdischen Lehrenden und politischen Gegnern ‚gesäubert’ werden. Vor allem traf dies den medizinischen Bereich der Universität, da Hitler die vermeintlichen Nöte des Ärztestandes bzw. der „arischen“ Ärzte – vor allem junger Ärzte – als besonders wichtig erachtete.

Aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom April 1933 wurden über 35 Prozent der Hochschullehrer entlassen. Durch verfolgungsbedingte und gesetzlich angeordnete Emeritierung der jüdischen Dozenten waren plötzlich überall Lehrstühle vakant – einige davon sogar für Jahre. Die Verluste waren so groß, dass zwischenzeitlich schon die Schließung der Frankfurter Universität erwogen wurde. Die Atmosphäre an der Universität war in den folgenden Jahre geprägt von einer weitgehenden Sympathie mit der nationalsozialistischen Regierung bis hin zum aktiven Beitrag der Studierenden und Dozenten. Ab 1935 gehörte die Frankfurter Universität zu den sechs deutschen Hochschulen, welche die Fächer Erbbiologie und Rassenkunde mit Ordinariat einrichteten.

Als einen der ersten Dozenten der Medizinischen Fakultät trafen die neuen Bestimmungen den Frankfurter Privatdozenten Wilhelm Hanauer. Er sei hier exemplarisch herausgegriffen.

Hanauer wurde am 21. Juli 1866 in Riechen als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater, Moses Hanauer, war Handelsmann und seine Mutter Fani Hanauer, geborene Weißbarth, Hausfrau. Er wurde im Jahr 1890 in Würzburg promoviert und war noch im selben Jahr als praktischer Arzt in Sinsheim tätig. Bereits zwei Jahre später arbeitete er als praktischer Arzt in Frankfurt, bis er noch im selben Jahr Arzt des Krankenhauses wurde.

1919 wurde er auf Beschluss des Magistrats zum Schularzt ernannt und ging an die Universität. Dort zeigte sich, dass Wilhelm Hanauer nicht nur auf dem Papier, sondern auch während seiner Zeit als Lehrender ein außerordentlich erfolgreicher und strebsamer Wissenschaftler war. Umso härter traf ihn der Entzug seiner Lehrbefugnis am 2. September 1933. Die zunehmende Ausgrenzung aus dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leben sowie die permanente Verfolgung durch das Regime setzten Hanauer stark zu. Im Jahr 1934 erlitt er einen Nervenzusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholte. Er musste seine berufliche Arbeit aufgeben und wurde in eine Nervenheilanstalt eingewiesen; schließlich führte dies nach langem Leiden zu seinem Tod. Er starb am 14. Juni 1940 in der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn bei Koblenz.