Frankfurter Stadtteile im Wandel

Vom Gärtnerdorf zum Frankfurter Stadtteil – 100 Jahre Eingemeindung Eckenheims

von Oskar Pfreundschuh

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Die im Rahmen des Projekts erstellte Broschüre soll die „alten Eckemer“ Ereignisse, die oft längst verdrängt oder vergessen sind, in Erinnerung rufen und die „neuen Eckemer“ über unsere Lebenswelt, Verhalten und manchmal auch schrulligen Ansichten informieren.


Sie will die oft großartige Integrationsarbeit der vielen Eckenheimer Vereine belegen. Denn Eckenheim soll auch Heimat sein für Menschen, die – ihrer Wurzel beraubt – zu uns gekommen sind, um hier einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, Menschen, die ihre Bräuche, ihre Sitten und ihren Glauben mit uns leben. Die etwa 14.000 in Eckenheim ansässigen Mitbürger/innen ausländischer Herkunft kommen aus nahezu 35 Nationen; zum Beispiel aus Bosnien, Griechenland, Italien, Kroatien, Marokko, Polen, Russland, Serbien, Spanien und der Türkei. Sie alle wollen in Eckenheim eine Heimat haben – wie die langjährigen Einwohner und Nachfahren der Bauern, Gärtner und Arbeiter auch. Wenn Alt- und Neu-Eckenheimer mehr von den jeweils anderen wissen, kann aus dem Nebeneinander ein Miteinander und Füreinander werden.

Das ehemalige Bauern- und Gärtnerdorf wurde 1910 in die Stadt Frankfurt am Main eingemeindet. Es war der Wunsch vieler Mitbürger/innen, die Geschichte dieser 100 Jahre festzuhalten. Angeregt durch den Aufruf der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, habe ich mich als Stadtteil-Historiker beworben und verdingt. Dieses Projekt der Stiftung mit seinen hilfreichen Seminaren und Veranstaltungen vermittelte mir das notwendige Handwerkszeug für die Recherchen bei Zeitzeugen und im Institut für Stadtgeschichte und unterstützte meine Arbeit, die etwa zwei Jahre in Anspruch nahm.

„Heimat – das ist der Ort, wo wir unsere ersten Schreie ausgestoßen haben,
die ersten Laute lernten, getauft wurden, zur Erstkommunion gingen oder konfirmiert wurden.
Wo sich die ersten Liebschaften anbahnten,
wo wir Kirschen klauten,
gelacht, geweint, gelernt und gearbeitet haben.“

Aufzeichnungen von Vereinsakten der letzten 100 Jahre bildeten einen Großteil der Quellen. Viele Gespräche mit „Stammtischbrüdern“ waren zwar durchaus informativ, dabei habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Interviewten oft drei Versionen von der gleichen Sache in Erinnerung hatten – oder haben wollten. Zum einen, wie sie selbst das Ereignis oder die Zeit gerne gesehen hätten, zum anderen, was sie von Erzählungen anderer erfahren hatten und mittlerweile als eigenes Erleben dargestellt haben, und zum dritten, was sie nicht mehr wissen wollten, sondern lieber verschämt verschwiegen – etwa über Ereignisse in den Jahren zwischen 1933 und 1945.

Anekdötchen, die der Chronist von seinen Eltern und Verwandten als Kind gehört und sich zwar gemerkt, aber damals nicht verstanden hatte, und Beobachtungen während der Kindheit und Jugend, insbesondere in den Nachkriegsjahren, in denen Hunger und Not in Deutschland herrschten, sind in die Broschüre eingeflossen. Die Erlebnisse der „Leut von de Gass“, die Erzählungen der „eingeborenen Vereinsmeier“, die „Buwwe, die sich vom Feldschitz beim Kersche klaue“ erwischen ließen – zu denen ich im übrigen selbst gehörte –, sind die Quellen des Buches. Vom Eckemer für Eckemer geschrieben, erhebt es keinen Anspruch auf wissenschaftliche Grundsätze und Anforderungen.

Was ist noch offen? – Die Zeit zwischen 1933 und 1945 ist ungenügend erforscht. Beispielhaft sei erwähnt, dass selbst nahe Verwandte nichts von der Ermordung zweier junger Frauen im Rahmen der NS-Euthanasie wissen wollten. Wenngleich auch die Ortsteile, in denen damals die SS-Schergen wüteten, heute nicht mehr zum Ort gehören, ist eine gründliche Aufarbeitung dieses Themas erforderlich. Es wäre wichtig und notwendig, wenn Stadtteil-Historiker späterer Generationen sich dieses Themas annehmen würden.