Jüdisches Leben in Frankfurt

Von der einst größten jüdischen Gemeinde Hessen-Nassaus blieben keine Spuren...

von Christa Fischer (†)

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Dass es sich bei meinem Stadtteil um die Heimat der einst größten jüdischen Gemeinde in Hessen-Nassau handelte, erfuhr ich in den Jahren 1989 bis 1991 anlässlich meiner Mitarbeit bei der Ausstellung des Jüdischen Museums in Frankfurt: „Die vergessenen Nachbarn“.

In den Jahren davor war ich als Mitglied des Ortsbeirates 8 in meiner Fraktion, der SPD, Mitantragsteller für ein Monument zum Gedenken an die Jüdische Gemeinde in Heddernheim sowie eines Gedenkens an das AEL, das Arbeits- und Erziehungslager Heddernheim, gewesen.

Dieses Engagement war der Hintergrund, vor dem ich mich an der Ausstellung im Jüdischen Museum beteiligte. Die fünf eigenständigen Vorortgemeinden Frankfurts fanden sich schließlich in der Ausstellung wieder: Bockenheim, Rödelheim, Höchst, Bergen-Enkheim und eben Heddernheim.

Über Heddernheim fanden sich im Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden umfangreiche Unterlagen über das Gemeindeleben, den Schulunterricht mit einer großen Anzahl an im Stadtteil lehrenden Religionslehrern und über die in den Jahren bis Mitte des 19. Jahrhunderts tätigen Rabbiner.

Auch über diesen Zeitraum hinaus blieb das Thema „Jüdisches Leben in Heddernheim“ weiter im Gespräch, sodass ich immer wieder zu kleineren Vorträgen eingeladen wurde.

»Nicht ein Name mehr erinnert an die seit Generationen hier ansässigen Familien.«

So ergab sich dann 2005 durch einen Vortrag bei der Kolping-Gruppe Heddernheim die Anfrage nach Stolpersteinen für den Stadtteil. Zusammen mit Gabi Kunhenn nahm ich Kontakt zur Initiative Stolpersteine Frankfurt auf – und wir konnten im Frühjahr 2006 die ersten Steine in Heddernheim verlegen lassen.

Bei den ersten verlegten Steinen konnten wir uns auf die Vorarbeiten der Museumsausstellung berufen, begannen dann aber nochmals, ganz neu zu recherchieren. Diese erneute Recherche führte mich zu der Arbeit, mit der ich mich als Stadtteil-Historikerin der Stiftung Polytechnische Gesellschaft befasse.

Die Recherche basiert auf den im Stadtteil an der Evangelischen St.-Thomas-Gemeinde geführten Zivilstandsbüchern für die Zeit von 1818 bis 1873. Als ich diese für die Stolpersteine nochmals durcharbeitete, wurde mir bewusst, dass an die seit Generationen hier ansässigen Familien – die nicht nur die Jüdische Gemeinde gebildet hatten, sondern ebenso den Stadtteil bereicherten – nichts mehr erinnert. Kein Name, keine Geschichten, keine genauen Wohnorte gab es, die auf ein generationenlanges Zusammenleben einer jüdischen Gemeinde in Heddernheim hinwiesen.

Ausnahme: die Stolpersteine, die aber nur an die Menschen erinnern, die bis in die NS-Zeit hinein im Stadtteil lebten und dann von hier aus über Frankfurt deportiert und ermordet wurden. An die Familien, die mindestens seit dem 18. Jahrhundert hier nachweisbar sind, an sie erinnert nichts mehr. Auch wenn die meisten dieser Familien Ende des 19. Jahrhunderts nach Frankfurt verzogen, sind ihre Ursprünge doch in Heddernheim.

Um diese Familien, die Namen, die Geschichten wieder in den Stadtteil zurückzuholen, sie wieder Teil der Geschichte des Stadtteils werden zu lassen, recherchiere ich ihre Biografien. Vieles konnte ich in Erfahrung bringen, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt von etwa 80 Prozent der Familien bereits Biografien vorliegen. Die Recherchen zur Geschichte der großen aus Heddernheim stammenden Familien (wie beispielsweise die Familien Seckbach, Erlanger und Schnadig), die von hier aus „in die Welt“ gingen, sind noch nicht abgeschlossen.