Frankfurter Stadtteile im Wandel

Was das Gallus bewegte

von Hanne Emrich

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Seit mehr als 60 Jahren lebe ich im Gallus. Seit langem interessiere ich mich für dieses Viertel, auch um meine eigene Geschichte und die meiner Eltern und Großeltern besser zu verstehen. Dabei habe ich auch für meinen Beruf als Grundschullehrerin im Gallus für den Heimatkundeunterricht immer nach neuem Material über den Stadtteil gesucht.

Über das Gallus, das erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „Südwestliche Außenstadt“ Frankfurts langsam zu entstehen begann, gab es zu Beginn meines Projektes nur sehr wenig Literatur. In Tageszeitungen und in verschiedenen Büchern über Frankfurt habe ich im Laufe der Zeit jedoch Texte über besondere Ereignisse im Gallusviertel oder seiner unmittelbaren Nachbarschaft entdeckt und gesammelt. Manche der dargestellten Ereignisse erregten die Menschen im Gallusviertel – man sprach darüber, woran ich mich teilweise noch selbst erinnern kann. Anderes geschah eher unbemerkt, und es wurde erst Jahrzehnte später darüber geschrieben, wie zum Beispiel über das KZ Katzbach in den Adlerwerken. Viele Umstände sind den meisten, auch langjährigen Einwohnern des Viertels völlig unbekannt. Wer weiß denn, dass die kürzestete Straßenbahnlinie Frankfurts im Gallus fuhr?

Im Zusammenhang mit der Einhundertjahrfeier der Hellerhofschule – der Schule, an der ich bis zum Sommer 2010 tätig war – habe ich 2005 begonnen, solche Ereignisse der letzten 100 Jahre gezielt zu recherchieren und zusammenzustellen. Im Rahmen einer Projektwoche erarbeitete ich mit diesem Material eine Ausstellung für die Schule. Nach dem Jubiläum habe ich die Arbeit fortgesetzt und wurde dann auf das Projekt „Stadtteil-Historiker“ aufmerksam.

Hier sah ich die Chance, mit einem reich bebilderten Buch interessierte Leser zu informieren und Dinge, die es hier einst gab oder die hier geschehen waren, vor dem Vergessen zu bewahren.

Als Stadtteil-Historikerin habe ich die schon erarbeiteten Themen noch einmal nachrecherchiert und musste dabei feststellen, dass meine bisherigen Quellen zum Teil auch Fehler enthielten. Zum anderen war es mir in vielen Fällen – besonders für die Zeit des Nationalsozialismus – nicht möglich, genügend Material zusammenzutragen. Das lag daran, dass viele Dokumente zerstört worden waren. Auch gibt es in den hiesigen Archiven kaum Zeitungsmaterial aus dieser Zeit.

»Entscheidend waren für mich die persönlichen Kontakte zu den anderen Stipendiaten.«

Was das Bildmaterial anging, war ich fast ausschließlich auf fremde Quellen angewiesen. Dabei zeigten sich Freunde und Bekannte, die Geschichtsvereine der Nachbarstadtteile und die Frankfurter Archive, besonders im Historischen Museum und im Institut für Stadtgeschichte, als sehr entgegenkommend. Leider war es mir nicht möglich, auch die Beiträge zur jüngeren Vergangenheit zufriedenstellend mit Bildern auszustatten, da ich nicht alle Bildrechte erwerben konnte.

Als ich die Sammlung abschloss, um sie für die Präsentation zu überarbeiten, war mir klar, dass die vorliegende Arbeit nur ein Anfang sein konnte. Einige Ereignisse waren nicht zu Ende recherchiert, und viele Themen waren noch gar nicht begonnen. Möglicherweise greift noch jemand die vorhandenen Anhaltspunkte auf und setzt die Arbeit fort… ?

Eine sehr wichtige Erfahrung als Stadtteil-Historikerin war und ist der Kontakt zu anderen Stipendiaten. Diese Kontakte sind entscheidend auch der Stiftung Polytechnische Gesellschaft zu verdanken, die durch ihre Informationen und Angebote den Gedankenaustausch förderte. Beim Blick über den „Tellerrand“ erfährt man viel Interessantes, tauscht Erfahrungen und Tipps aus, interessiert sich für Neues.

Zurzeit sammeln mein Mann und ich weiter Material zum Gallus, arbeiten an verschiedenen Projekten unserer Geschichtswerkstatt und suchen nach Informationen über verschiedene Themen der Frankfurter Stadtgeschichte.