Ein Krieg übrigens, der zwar zur Gründung des Deutschen Reiches führte, heute jedoch durch die beiden späteren fürchterlichen Weltkriege etwas in Vergessenheit geraten ist. Am Ende des Deutsch-Französischen Krieges waren jedenfalls auf beiden Seiten rund 125.000 Tote zu beklagen.
Christian hatte wohl mit seinen 25 Jahren etwas anderes vor, als nach Paris zu marschieren. Für uns ist heute manches, was in dieser Zeit von oberster Priorität war, wie beispielsweise der Militärdienst, etwas unverständlich. Damals hatte aber ein „Ungedienter“ kaum Chancen, eine einigermaßen gut bezahlte Arbeit zu finden. Diese brauchte man jedoch, um standesgemäß heiraten zu können. Die Familien legten größten Wert darauf. Wenn man nach der Kriegserklärung Frankreichs das Vaterland und die Lieben zu Hause gegen den „Erbfeind“ verteidigen durfte und das auch noch überlebte, war man ein Held.
Eine gewisse Abenteuerlust und das vorübergehende Ausscheiden aus dem kleinbürgerlichen Alltagstrott waren für einen jungen Mann, der sonst kaum aus seiner vertrauten Umgebung herauskam, sicher sehr reizvoll. Allerdings ist aus den Briefen herauszulesen, dass die anfängliche Euphorie schnell nachließ. Schuld daran waren die endlosen Märsche bei Wind und Wetter auf schlecht ausgebauten Straßen, die eintönige Verpflegung und die teilweise desolaten Unterkünfte. Während der Belagerung von Paris war sein Einsatz auf Vorposten schon deshalb nicht ungefährlich, weil es immer wieder zu Ausbruchsversuchen der Eingeschlossenen kam, verbunden mit Toten und Verwundeten.
Dennoch vermied er es, die Lieben zu Hause mit den Schrecken des Krieges zu konfrontieren, indem er auf schlimme Details verzichtete und sich als „stets noch gesund und munter“ bezeichnete. Er bedauerte es, dass die Eltern die nächtliche Feuerglut am Himmel bei der Bombardierung von Paris nicht sehen konnten. Auch berichtete Traband über das Treffen mit Nieder Kameraden und war entsetzt über den plötzlichen Tod eines Freundes.
Neben einem kurzen Überblick, was den Beginn und Verlauf des Krieges betrifft, habe ich versucht, die geradezu katastrophalen Verhältnisse zu schildern, denen der einfache Soldat ausgesetzt war. Dies geht schon daraus hervor, dass ein beträchtlicher Teil nicht im Gefecht, sondern durch Krankheiten, verursacht durch fehlende Hygiene und Wundversorgung, sowie durch Erschöpfung zu Tode kam.
Bei der Transkription der Briefe meines „Namensvetters“ und weitläufigen Verwandten habe ich absichtlich alles detailgetreu in unsere heutige Schriftform übernommen und Fehler nicht korrigiert. Neben Christians Biografie und dem Deutsch-Französischen Krieg habe ich mich natürlich hauptsächlich mit seinen Briefen befasst, die er in feinem Sütterlin nach Hause geschrieben hat. Dass er während des gesamten Feldzuges die Briefe aus der Heimat sorgfältig aufbewahrte und später wieder mit zurückbrachte, zeugt von einer engen Bindung an das Elternhaus.